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Mario´s Road Trip nach Gainesville in Nordflorida

Mario´s Road Trip nach Gainesville in Nordflorida

  • 14.04.2016

Mario’s Road Trip nach Gainesville in Nord-Florida

Donnerstag
Laut Navi sollte die Fahrt 6 Stunden von Hollywood/ Florida nach Gainesville in den Norden Floridas dauern. Und anders wie in Europa, hat das auch genau so hingehauen. Kein Wunder, schließlich sind wir teilweise 15 Kilometer nur schnurgerade gefahren. Dafür hätte man kein Navi gebraucht, ein paar Striche mit dem Lineal auf einem Blatt Papier hätten es auch getan.

Wir nahmen den ‘Turnpike’, das ist eine Schnellstraße, die mautpflichtig ist und den direktesten Weg darstellte. Teilweise verlief eine unentgeltliche mehrspurige Straße lange Zeit direkt nebendran. Es macht aber dennoch Sinn, die 25$ für den Turnpike zu investieren, da die Parallelstraße oft durch Ortschaften führt und man dort wegen den Ampeln nur schleppend vorwärtskommt.

Das Mautsystem ist so eine Sache. Ich würde Euch hierzu gerne einen Tipp geben, was Ihr machen sollt, aber ich muss zugeben, daß sich uns das System bis zum Schluß nicht wirklich erschlossen hat.
In unserem Mietwagen war ein Zähler für den den elektronischen ‘Sun-Pass’ eingebaut. Wenn man eine Mautstelle passiert, wird die Buchung an den Autoverleiher weitergegeben, der dann die hinterlegte Kreditkarte belastet.
Soweit, so gut.
Nur kommt eine Bearbeitungsgebühr von 4$ pro Buchung hinzu, selbst, wenn der Betrag nur 0,90$ ausgemacht hat. Wir dachten, wir haben Zeit und können ja immer direkt Bar die Maut bezahlen. Nur gab es teilweise diese Möglichkeit gar nicht, denn an manchen Stellen gab es nur ‘Sun-Pass’ Durchfahrten.

Dann gab es insbesondere im Autobahnwirrwarr von Miami und dem Umkreis Teilstrecken, auf die man eher durch Zufall gefahren ist – und eben jedes mal die Gebühren fällig wurden.
Ich bin gespannt, was noch alles nach der Reise auf meiner Kreditkarte belastet sein wird davon. (Nachtrag, es ist jetzt 6 Monate nach der Reise und ich habe nochmals 28$ zahlen müssen, immer 4$ Teilbeträge. Der Letzte kam 3 Monate nach der Reise. Keine Chance für mich, da noch irgendetwas nachzuvollziehen).

Das Nächste, was uns vor eine Herausforderung gestellt hat, war das Tanken.

Wenn man sich durch die Enzyklopädie an der Zapfsäule gekämpft hat, weiß man, daß man direkt mit der Kreditkarte zahlen kann.
Nur da gibt es ein kleines, nicht unwesentliches Problem…
…man muss seine Postleitzahl eingeben.
Selbstredend funktionieren dabei nicht unsere Postleitzahlen aus Deutschland. Gibt man auf gut Glück einfach irgendwelche Zahlen ein und hofft, eine amerikanische Postleitzahl getroffen zu haben, wird diese natürlich auch nicht akzeptiert, da der Abgleich mit den Daten auf der Kreditkarte nicht stimmen… GRRR!
Deshalb haben wir uns angewöhnt, immer direkt beim Tankwart im Voraus zu bezahlen.

Falls einer von Euch hierzu andere Erfahrungen gemacht hat, oder uns erklären kann, wie man doch mit der Kreditkarte an der Zapfsäule zahlen kann, dann schreibt es bitte in die Kommentare unten!!!

Am späten Nachmittag kamen wir schließlich in Gainesville an. Wir wohnten in der ‘Magnolia Plantation‘, einem Bed & Breakfast. Es lag mitten zwischen Villen und sehr vielen Bäumen. Schon der Anblick des weiß-türkisen Haupthauses und der Veranda mit Schaukelstühlen ließ unsere Herzen höher schlagen.

Die ‘Magnolia Plantation’ besteht zudem aus verschiedenen kleinen Häuschen, die auf der Plantage verteilt sind. Mittendrin gibt es das Frühstück-Häuschen. Direkt daneben ein Teich, über den eine kleine Brücke zum Haupthaus führt. Dort gibt es den ganzen Tag über freie Getränke – und ab Nachmittag kleine Snacks mit Wein, woran sich jeder Gast nach Belieben bedienen kann.

Unser Holzhäuschen war schnuckelig und angenehm gemütlich eingerichtet – wie generell das ganze Anwesen. WLAN gab es natürlich auch.
Cindy, die freundliche Besitzerin zeigte uns alles und wollte jetzt schon wissen, was und wann wir denn frühstücken wollen.

Mario war nach der Fahrerei platt, aber ich wollte gleich mal die Gegend erkunden. Zu Fuss machte ich mich auf den Weg und sah ein schmuckes Haus neben dem anderen. Es tat gut, nach dem Treiben in Miami so einen ruhigen Ort gefunden zu haben – hier liefen die Uhren definitiv langsamer. Und die Leute waren neugieriger. Auf meiner kurzen Runde wurde ich gleich von zwei Leuten angesprochen, wo ich den herkäme und was mich als Touristen so weit ab von den üblichen Routen ins Marion County verschlagen hätte. Es war netter, unaufdringlicher Small-Talk, den ich genoss, denn er war aufrichtig gemeint und mehr als das normale amerikanische „Hello, how are you?“.

Dann hieß es zum Abendessen zu gehen. ‘Downtown’ Gainesville (ok, wohl eher Downtown-chen) war innerhalb von 15 Minuten mit einem lockeren Spaziergang zu erreichen und wir gingen ins asiatische Restaurant ‘Dragonfly’ – „the place to be“. Wir ergatterten gerade noch den letzten Tisch. Offenbar war jeder Bewohner von Gainesville hier in dem Restaurant.

Um 20 Uhr hieß es dann ‘Honky Tonk Angels’ – das Musical.
Denn gleich gegenüber (in einer Kleinstadt ist wohl alles gleich gegenüber) im ‘Hippodrome Theatre’ spielte zur Zeit ein Stück über drei Kleinstadt-Mädels (wie passend) die ihren Traum von einer Musikkarriere in der großen Stadt erfüllen wollten.

Noch bevor das Stück losging, waren wir bereits in Gesprächen mit unseren Sitznachbarn vertieft.
„Und? Habt Ihr schon ‘Manatees’ gesehen?“, fragten sie uns interessiert.
„Manatees?“, wunderten wir uns.
„Sagt bloß, Ihr habt noch nichts von Manatees gehört! Das sind diese großen Seekühe, die es in Crystal River gibt.“
Edi und ich schüttelten den Kopf und sahen uns mit großen Augen an.
„Mensch! Die müsst Ihr UNBEDINGT sehen! Die Hauptattraktion hier im Norden. Wenn Touristen hierher kommen, dann wegen den Manatees…“
Auch wenn sie verwundert waren, daß wir von ihrer Hauptattraktion noch nie etwas gehört hatten, freuten sich sich umso mehr, als wir sagten, daß wir in den Norden gekommen sind um auch etwas Anderes in Florida zu sehen außer Miami und den Everglades – und natürlich versprachen wir, zu den Seekühen zu fahren.

Freitag
Um 9:00 Uhr servierte uns Cindy unser „Crab! What do I cook those people?“-Frühstück. Wir lachten über diese Bezeichnung. Es entpuppte sich als eine üppige Mischung aus einem Eier-Auflauf, Wurst, Käse und Obst.

„Einmal hatte ich Gäste, die hatte ich am Vorabend vergessen zu fragen, was sie frühstücken wollen.“, klärte uns Cindy über den ulkigen Namen des Menüs auf, „ich dachte ‘Mist! Was koche ich den Leuten?’ Da habe ich einfach alles aufgetischt, was ich so hatte… und was soll ich sagen, die anderen Gäste wollten am nächsten Tag dasselbe haben… so ging das weiter… nur einen Namen hatte ich für dieses Frühstück nicht. Also nahm ich das Erste, was mir damals durch den Kopf geschossen ist – und heraus kam eben ‘Crab! What do I cook those people?’“

Joe, Cindys Ehemann, kam hinzu und wir unterhielten uns über das Leben in einer Kleinstadt, über das ‘weltberühmte’ College-Football Team von Gainesville und wie sie immer weiter an ihrer Plantage arbeiten. Dann fragte er plötzlich:
„Habt Ihr schon die Manatees gesehen?“
„Ehrlichgesagt haben wir erst gestern zum ersten Mal von denen gehört…“
„Unfassbar! Ihr MÜSST die sehen…!“
„Ja, wir haben es schon versprochen.“ lachten wir.
Die Sonne schien, wir hatten ein leckeres Essen unter Bäumen, ein Brunnen plätscherte neben uns und wir unterhielten uns schön mit Cindy & Joe (jetzt wollte ich schon fast ‘Bert’ schreiben!). Wir hätten ewig dasitzen können. Aber wir wollten ja auch etwas von Gainesville sehen.

Gainesville ist doch nicht sooo eine kleine Stadt – sie hat immerhin über 120.000 Einwohner – und, wie wir durch die Fahrt zum Museum ‘A T-Rex named Sue’ lernen, tatsächlich ein berühmtes American Football Team – die ‘Florida Gaters’ (von Aligators). Schilder und Flaggen des Teams stehen in der ganzen Stadt. Das ‘Gators’-Stadium ist riesig und fasst über 88.000 Zuschauer! (Im Vergleich: die Allianz-Arena des FC Bayern hat 75.000 Plätze).

Aber wir interessieren uns mehr für die Dinosaurier im ‘Florida Museum of Natural History‘. Es war eine brutale Hitze draußen und wir waren froh im klimatisierten Museum zu sein (7,50$ Eintritt). Hauptattraktion ist ‘Sue’ – die mit 13 Metern größte, besterhaltene und vollständigste Tyrannosaurus Rex Skelett-Nachbildung der Welt. ‘Sue’ heißt der T-Rex, weil er von Sue Hendrickson in den USA entdeckt wurde.

Neben allerlei Ausstellungen aus der Frühzeit der bewohnten Erdgeschichte ist das Butterfly-Museum sehenswert. Es gibt einen kleinen Regenwald, in dem die Schmetterlinge rumfliegen und man als Besucher gerne als Landeplatz benutzt wird und man sich etwas wie in Avatar vorkommt.

Draußen war es noch heißer geworden, so beschlossen wir in das angrenzende ‘Harn Museum of Art’ zu gehen.Für freien Eintritt gibt es hier afrikanische, frühe amerikanische sowie asiatische Kunst zu bewundern.

Am lustigsten und interessantesten fanden wir den modernen Bereich – da gab es skurrile Objekte – wie z.B. einen Affen, der inmitten von lauter ‘National Geographic’ Heften saß die ihn offensichtlich dermaßen aufgeilten, da er sich darauf selbst befriedigte.

Ursprünglich wollten wir noch in den Botanischen Garten fahren. Aber der 2km Rundweg schreckte uns bei brühtender Mittagshitze dann doch ab. So führen wir direkt zum Mittagessen zum verschlafenen Örtchen Micanopy. Ich habe es bis zum Schluss nicht geschafft diesen Namen wie die Einwohner auszusprechen. Anstatt wie ich „Mi-käh-no-pi“ sagten alle „Mikäno-pihh“. Ich habe den richtigen Klang immer noch im Ohr, aber es will einfach nicht aus meinem Mund kommen.
Wie auch immer, der Ort war winzig. Eigentlich eine Wildweststadt, die sich nach Florida verirrt hat ins Jahr 2015. Wir sind zu ‘Detectable Collectables’, einem Laden für Antiquitäten und Schmuck. Es war ziemlich kruschtelig da drin, aber irgendwie passte es zum ganzen Ort. Wir waren sofort in ein Gespräch mit Monica, der Besitzerin, verwickelt. Und natürlich wollte sie auch wissen, was uns nach Mi-käh-no-pi gebracht hat. Scheinen ja alle echt baff zu sein, daß wir hier sind.

Wenn man in den Norden Floridas fährt, dann darf ein Besuch in Silver Springs nicht fehlen. Es liegt am Stadtrand von Ocala, der Bezirkshauptstadt von Marion County. In einem Nebenarm des Ocklawaha River liegt hier der Silver Springs State Park – der perfekte Erholungsort für heiße Tage.

Hier kann man sich Kayaks ausleihen und auf eigene Faust das kristallklare Wasser und die Natur erkunden. Wir machen aber lieber eine der beliebten Glasbottomboat-Fahrten.
Seeeehr angenehm war das.
In Ruhe tuckern wir über den Fluss. Direkt zu Beginn sehen wir die Quelle. Aus einer Felsspalte wird ununterbrochen das 23°C warme Wasser herausgedrückt. Die Strömung ist immens.
An einer anderen Stelle sehen wir alte Holzbalken und andere Artefakte auf dem Grund. Ein Beleg für die Zeit, als die Seminole-Indianer diese Gegend bewohnten.

Eine große Schildkröte schwimmt gerade unter unserem Boot vorbei, als uns der Guide erzählt, daß hier im Silver Springs State Park die ersten Tarzan Filme Hollywoods gedreht wurden.
Ja, daß kann man sich wirklich sehr gut vorstellen.
„Gibt es hier auch Manatees?“, wollte ein Gast wissen.
„Nein, die gibt es hier nicht, da müssen Sie nach Crystal River“, antwortete der Guide.
Mittlerweile waren sowohl Edi wie auch ich völlig angefixt von den Manatees. Vor ein paar Tagen hatten wir noch keine Ahnung, daß es diese überhaupt gibt – und jetzt konnten wir es kaum erwarten, welche in Natura zu sehen. So scheint Werbung zu funktionieren. Wenn man etwas nur oft genug hört, dann WILL man es unbedingt! Lach.
Wir beschlossen am nächsten Morgen direkt dorthin zu fahren.

Nachdem wir uns etwas im Hotel ‘BG Sun Plaza‘ ausgeruht haben, trafen wir uns am Abend mit Loretta, Stephanie und Mark in Ocala zum Abendessen. Ich hatte sie bei einer Messe kennengelernt und versprochen, wenn ich nach Florida komme, dann besuche ich sie.
Wir trafen uns in „Mark’s Prime Steak House“ im Zentrum von Ocala.
Es war ein großes ‘Hallo’ und wir lagen uns in den Armen und freuten uns, daß wir uns wiedergesehen haben. Alle redeten wir durcheinander und lachten viel.
„Schön wär’s!“, entgegnete Mark lachend auf meine Frage, ob das Steak House ihm gehöre.
Kann ich mir vorstellen, es war nämlich brechend voll und die Speisekarte hielt mehr, als sie versprach. Also, wenn die Amerikaner etwas können, dann ein richtig geiles Steak zu machen!

Es war ein toller, lustiger Abend!
>> Loretta, Stephanie and Mark – if you read this – thank you so much for that wonderfull time we spent together that evening! Hope to see you soon again! <<

Samstag
Um 6 Uhr klingelte der Wecker.
Aber das Aufstehen fiel uns leicht, denn es ging endlich zu den so oft angepriesenen MANATEES!
Die geführte Tour sollte um 7:45 Uhr beginnen und wir mussten ja noch nach Crystal River fahren.
Dort angekommen mussten wir nur noch unseren Manatee Snorkel Tour Operator finden, die ‘Plantation on Crystal River‘. Das war leichter gedacht, als getan, denn die Gegend besteht aus unzähligen Kanälen und unser Navi führte uns mal zu Brücken, wo es keine gab, oder mitten in eine Hotelanlage, an der uns der Kerl am Eingangstor abwimmelte.
Wir dachten schon, wir finden es gar nicht, doch dann, um 7:40 Uhr waren wir da – nur um festzustellen, daß die Tour bereits um 7:15 Uhr losgegangen ist!
So ein Mist!

Aber die Angestellten waren klasse! Unkompliziert gaben sie uns unsere Neoprenanzüge und während wir uns umzogen, funkten sie den Bootsführer an, wo er denn gerade sei. Dort brachte uns dann ein lecker aussehender Kerl mit einem Schlauchboot schnell hin.

Ich muss zugeben, daß wir im Endeffekt ganz froh waren, daß wir unwissentlich zu spät waren. Denn die erste Stunde war das Wasser schon noch ganz schön frisch (zum Glück hatten wie die Neoprenanzüge). Außerdem war das Wasser auch sehr aufgewirbelt, sodaß wir noch nicht einmal die Hand vor Augen gesehen haben – geschweige denn irgendein Tier.

Wie die Entlein ist unsere Gruppe hinter unserem Guide hergeschwommen, der immer rief: „Hier ist ein Manatee!“ „ Dort ist ein Manatee!“ „Dort drüben schwimmt ein Manatee!“ usw.
Also entweder hatte er deutlich bessere Augen, oder wusste durch seine Erfahrung, wo die Tiere sind – oder wollte uns einfach ein bisschen bei Laune halten, denn nach 30 Minuten plantschen im trüben Wasser vergeht einem der Enthusiasmus nach irgendwelchen Tieren zu suchen.
Irgendwann war es halb elf und alles was ich bis dahin gesehen hatte, war ein dunkler Schatten, der sich vor einem noch dunkleren Hintergrund unter uns bewegt hat.
Selbst der letzte überschwängliche Amerikaner in unserer Gruppe war still geworden. Genau der richtige Zeitpunkt für einen aufwärmenden Kaffee und einer Kleinigkeit zu Essen.
Das half etwas.
„Okay…“, begann der Bootsführer mit aufmunterndem Blick, „da ist noch ein Platz, wo es manchmal Manatees gibt, da fahren wir jetzt mal hin.“
Einige Mienen hellten sich auf.
Meine nicht.
Denn mittlerweile war es mir egal, ob ich noch so eine Seekuh sah, oder nicht – und außerdem konnte ich das Wort ‘Manatee’ nicht mehr hören!

Wir fuhren in einen kleinen, ruhigeren Seitenarm des Flusses. Hier war es zumindest schön. Das Wasser war klarer und die Sonne wärmte uns angenehm.

Wieder wie die Entlein sind wir dem Guide hinterher ins Wasser.
„Das ist das letzte Mal, daß ich nochmal nach diesen blöden Manatees suche!“, raunte Edi mir sichtlich genervt zu. Ich konnte ihm nur zustimmen. Wir verteilten uns im Wasser. Sie Sicht war deutlich besser hier.

Und dann sahen wir es!
Ein riesen Manatee!
Krass!
Es war sicherlich drei Meter lang und sah aus wie ein enorm großer, tonnenschwerer Seelöwenbulle.

„Hier!!!“, schrie einer aus unserer Gruppe auf der anderen Seite der Bucht.

Alle schwammen rüber.

Ich blieb bei dem großen, den ich jetzt alleine für mich hatte.
Gemächlich saugte sich die Seekuh über den Boden. Echt, es hatte was von Staubsaugen, wie sie mit ihrer kurzen rüsselartigen Schnauze den Grund durchpflügte.
Eigentlich wäre einem unwohl, neben so einem großen Tier im Wasser zu sein, doch unser Guide hatte uns erzählt, daß diese Tiere Vegetarier sind und darüber hinaus die sanftmütigsten Wesen des Planten, da sie keine natürlichen Feinde haben – außer den Schiffsschrauben der Motorboote. Dennoch sollte man sich auf Abstand halten und sie nicht stören, wenn sie auf einen zukommen, ok., aber man sollte sie nicht bedrängen mit seiner Neugier.
Auch ‘mein’ Manatee hatte Spuren auf dem Rücken, die sicherlich von einem der Boote kam. Das tat mir leid.
Ich verstand auch, warum sie Seekühe genannt werden. Denn sie haben genau die gleiche, ungefährliche Wirkung auf einen und strahlen Ruhe aus. Hübsch kann man außerdem Kühe auch nicht nennen, aber jeder mag sie.
Ich blickte nach meiner Gruppe, da von ihnen Ah’s und Oh’s über das Wasser zu mir rübergetragen wurden.
Als ich wieder unter Wasser blickte, war das Manatee genau neben mir!
Ich entspannte alle Muskeln und lies meine Arme locker nach unten hängen – die Seekuh drehte sich etwas und meine Hand berührte den Rücken. Die Haut fühlte sich hart wie bei einem Elefanten an, mit einzelnen borstigen Haaren.
Aber dennoch hatte dieser Augenblick etwas Besonderes für mich, ich grinste über diesen schönen Moment mit meinem eigenen Manatee!

Zurück auf dem Boot, gab es kein Halten mehr in der Gruppe. Alle redeten durcheinander.
„Fabulous!“
„Gorgeous!“
„Awesome!“
Edi war am meisten aus dem Häuschen.
„Das war so irre!“, sprudelte es aus ihm heraus. „Da war eine Manatee-Mama mit ihrem kleinen Jungen. Das Kleine war so neugierig und kam zu mir hergeschwommen und wollte mit mir spielen! Es schaute mich an, drehte sich um die eigene Achse, schwamm um mich herum! DAS WAR IRRE!!“
Er war nicht mehr zu bremsen und der Held aller Frauen auf dem Boot. Sie fanden das so toll und ‘sweeeet’ und überhaupt so toll und Edi ist so ein toller Mann und überhaupt und sowieso. Alle waren überschwänglich und begeistert von diesem Erlebnis.
Am meisten Edi.
Ich gönnte es ihm – hatte ich ja auch ein schönes Erlebnis mit meinem, eigenen „nur für mich“-Manatee gehabt.

Tja, wie ihr seht, hatte uns das Manatee-Fieber doch noch gepackt. Und vielleicht sollte der Vormittag auch genauso ablaufen. Wie bei einem guten Film, bei dem man den Ausgang der Handlung nicht vorhersehen kann, der verheißungsvoll beginnt, dann einen in die Irre führt, um einen am Ende mit einem grandiosen Showdown vom Hocker zu hauen! Wie langweilig wäre es im Nachhinein gewesen gleich beim ersten Tauchgang dieses Erlebnis gehabt zu haben. Manchmal muss die Spannung erst aufgebaut werden und eine Sache darf nicht zu einfach sein, damit man sie als das Besondere ansieht, daß sie definitiv ist.

Hmm, eigentlich wäre das eben ein schönes Schlußwort – jedoch ist dies kein Geschichte sondern ein Erlebnis-Blog. Und so geht es weiter mit unserer Reise.

Aber zunächst hatten wir nach diesem Vormittag unglaublichen Hunger. Am Stadtrand von Crystal Rivers gab es neben einer Tankstelle einen Imbiss ‘Grannies Country Cookin”. Normalweise würden wir da nicht reingehen, aber es war uns im Augenblick egal – wir wollten einfach irgendwas essen.
Und es war richtig gut!
Abgesehen von dem üppigen Essen (genau daß, was wir gebraucht haben) waren die Gäste im Restaurant sehr interessant. Was wir hier sahen, musste wohl den Durchschnitt der echten amerikanischen Bevölkerung darstellen – nicht das, was man aus Hollywood Filmen kennt. Am meisten hatte es Edi aber der leckere Typ hinter dem Tresen angetan. Er schaute etwas verdattert, als wir ihn fragten, ob wir ein Foto von ihm machen dürften.

Unsere Zeit im Norden Floridas ging mit diesem Essen zu Ende und wir machten uns auf den Weg zurück nach Orlando. Dort fand der Pow Wow statt, die größte Tourismusmesse in den USA. Hier werde ich eventuell auch einen kleinen Blog schreiben, denn schließlich stehen die Universal Studios, Disneyland und SeaWorld auf dem Abendprogramm. Interessanter für Euch sind wohl eher unsere Erlebnisse nach der Messe. Denn es geht nach Fort Meyers und Sanibel-Island am Golf von Mexico, wo wir wieder eine neue Seite von Florida erkunden wollen und auf den Spuren von Henry Ford und Thomas Edison wandeln werden.

Zum Abschluss hier noch ein lustiges Straßenschild, daß wir unterwegs gesehen haben. Was ein Tausendsassa ist, weiß man ja, aber ein ‘Homosassa’? Vielleicht ein Kerl, der schon Tausend Typen vernascht hat? Wer weiß? Aber in diesem Fall ist es einfach ein – zugegeben – lustiger Ortsname in Florida.

Fazit zum Norden Floridas:
Schwules Disco- und Bar-Leben findet man hier im Norden nicht. Aber wer gerne etwas Abwechslung in seinen Mainstream Florida Urlaub bringen will, wer auch gerne das andere Leben, vielleicht sogar das echte Leben Floridas sehen will oder gerne mehr Natur erleben will, ob mit Kayak-Ausflügen, Wandern oder Reiten – dem ist Marion County sehr zu empfehlen! Wir fanden es sehr erfrischend!

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