- 27.06.2019
Marco beim CSD 2019 in Berlin
Irgendwie bin ich aufgeregt und voller Vorfreude – dieses Wochenende steht am 27.Juni der CSD in Berlin an! Eben noch war ich in Florida und beim GayPride in Key West – und zwei Wochen später geht’s schon in die Hauptstadt. Freitag, 26. Juni Gleich nach der Ankunft am Freitag traf ich mich mit Max und Marco in der Hotellobby vom fünf Sterne plus ‘Hotel Palace Berlin‘ in der Budapester Straße gleich gegenüber vom Zoo. Eigentlich wollten wir nur einen kleinen Willkommensdrink zu uns nehmen. Aber wie das nun mal so ist, wenn man Freunde seit einiger Zeit nicht mehr gesehen hat… es blieb nicht bei einem, auch nicht bei zweien … und schließlich war es halb vier Uhr morgens als ich erschöpft ins Bett gefallen bin. Dabei haben wir gleich mehrere Bars abgegrast. Nach dem Abendessen sind wir in Schöneberg unweit des Nollendorfplatzes ins schwule Leben Berlins eingetaucht. Die Bars waren alle voll – ein deutliches Zeichen, daß der CSD einige Besucher angelockt hat. In der Motzstraße gab es schon mal keine Chance für uns einen Platz draußen zu bekommen. Auf dem Weg zur Gay Bar ‘Der neue Oldtimer’ in der Lietzenburger Straße liefen wir am ‘Tabasco’ vorbei. Eine Bar, in der auffällig viele ältere Herren saßen, die von einigen jungen, osteuropäischen Jungs umschwirrt wurden. Jedem das seine… grins.
Wir quatschten und quatschten bis es leicht zu regnen begann und wir unseren Standort ins ‘RedGold1’ verlegen mussten. Das RedGold ist eine Schlagerbar, wie man sie sich nur wünschen kann. Überall an den Wänden hängen Plattencover, jeweils mit einer Nummer versehen. Marco und Max schwelgten in Erinnerungen und ließen ein Lied nach dem anderen auflegen. Ich muss leider gestehen, daß ich die meisten der Sänger überhaupt nicht kannte. Asche auf mein Haupt. Ihr dürft jetzt selbst entscheiden, ob ich zu ignorant oder zu jung bin.
Um halb drei beschlossen wir es gutsein zu lassen für den ersten Abend, schließlich stand uns der CSD-Tag bevor – und landeten noch für ein letztes Bier gleich gegenüber in der Bären Bar ‘Woof’. Ich muss zugeben, es gibt schlimmere Möglichkeiten, seinen ersten Abend abzuschließen…
Samstag, 27. Juni
Wie gut, daß das Hotel Palace Berlin sein Frühstück bis 11 Uhr anbietet – und Sonntags sogar bis 14 Uhr. Ich wußte schon bei der Ankunft, dass ich diesen Service bis zur letzten Minute ausnutzen werde. Nach der kurzen Nacht kam ich etwas gehetzt fünf vor elf im Frühstücksraum an. Ich war hungrig ohne Ende! Was hätte ich auf meiner letzten Floridareise dafür gegeben, nur ein einziges mal SO ein richtig gutes Frühstücksbuffet zu bekommen – Raisin Flavoured Bagels jeden Morgen sind nämlich nicht sehr Abwechslungsreich. Wild lud ich mir ein Omelette, Lachs, Käse mit Senfsoße, Croissants und Honig aus einer Bienenwabe auf meinen Teller – na gut, es waren drei Teller, die dann vor mir standen.
Gestärkt und bewaffnet mit der Berliner Welcome Card ging es durch das Europa-Center zum Wittenbergplatz, gegenüber vom KaDeWe. (Die Welcome Card ist übrigens eine coole Sache, für 34,50€ kann man alle öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und hat vergünstigten Eintritt zu 200 Sehenswürdigkeiten.) Laute Techno-Beats und das Gejohle der Menschenmenge begrüßten mich – und da winkten mir auch schon Marco und Max heftig zu.
PLOPP!
Der Proseccokorken flog in die Luft und landete irgendwo in einer jungen Gruppe aus Engelchen, Teufelchen und zwei Matrosen.
„Oh ne, Marco, wenn ich jetzt was trinke, dann bin ich platt!“
„Quatsch! Da kommst du gleich auf Touren!“
Dahinter lief ein Warlord mit einer USA Flagge. Alle jubelten ihm zu.
Unzählige Wagen später – und einer weiteren Flasche Prosecco – brauchte ich Wasser. Ich stellte mich etwas abseits in den Schatten hinter zwei Getränke-Kastenwagen. Eine Bewegung aus dem Augenwinkel lies mich zwischen die beiden Wagen blicken – und das erste, was ich sah, war ein riesen Döddel! Ein muskelbepackter oben ohne Kerl, hatte seine Hose runtergelassen und entleerte sich keine drei Meter neben mir – direkt in meine Richtung! Ich grinste, er grinste. Seine Augen versuchten mich zu taxieren – aber der Alkohol hatte ihm seine Sinne schon vernebelt. Schade, eigentlich…
Marco war mittlerweile bei einem Wagen mit guter Musik mitgelaufen. Max und ich beschlossen ihn später an der Siegessäule wieder einzufangen, denn dort bog die Parade ab auf die Straße des 17.Juni in Richtung Brandenburger Tor. Zum Glück haben sich die Organisatoren dieses Jahr wieder auf eine Parade verständigt. Das Durcheinander im Vorfeld des CSDs 2014 war ja so lächerlich und irritierend, daß letztes Jahr irgendwann keiner mehr wußte auf welche der drei Paraden man mitlaufen sollte. Marco sahen wir dennoch nicht mehr. („Stephan war aber auch sooo süß!“ erfuhren wir am nächsten Tag. Wer auch immer dieser süße Stephan gewesen sein mag.)
Irgendwo musste die Parade ins Stocken gekommen sein, eine große Lücke klaffte zwischen zwei Wagen und der Zeitplan war bereits längst überschritten. Zeit für mich, mir mal die Leute anzuschauen, die sich hier alle an der Siegessäule tummelten. Neben den üblichen Verdächtigen aus der schwulen und lesbischen Szene – gerade liefen Nudisten-Fans über den Platz – weckte eine kleine Gruppe nicht gay-aussehender Kerle mein Interesse. Einer von ihnen war in einen mannshohen Penis verkleidet. Seine Freunde hatten einen Bierkasten dabei und lachten sich schlapp über ihn. Er trug ein Schild bei sich „#JGAPenis“ stand darauf.
„Was soll denn das heißen?“, fragte ich.
„Na, Junggesellenabschied!“, lachten sie.
„Moment! IHR seid seine Freunde und steckt ihn in sooo ein Kostüm und schickt in auf den CSD?!?“ Sie grinsten nur breit.
„Kann man den denn auch fotografieren für meinen Blog?“
„Na klar!!! Dafür ist er hier!“
Und für euch gibt es hier das Beweisfoto.
Eine andere Gruppe fiel mir ebenfalls auf. Jungs und Mädchen die höchstens 17 waren. Es sah nicht so aus, als ob sie sich wirklich für die Rechte von Schwulen und Lesben interessierten. Es sah auch eher so aus, als ob sie gar nicht verstehen würden, warum die ‘Gays’ da so ein Theater um ihre Rechte machen. Wir sind doch eh alle gleich – wir sind doch eh alle anders. Soll doch jeder machen, was er will. Sie gehörten eindeutig zu einer neuen Generation, für die das Schwulsein einfach schon zum normalen Alltag gehörte. Nichts Besonderes eben mehr. Aber wo es eine so große Party gibt, da muss man halt hin! Läuft bei dir!
Und mir gefällt diese Einstellung: Schwul zu sein ist nichts Besonderes – einfach normal eben!
Ich sehe ein älteres schwules Pärchen – beide vielleicht so an die 70. Sie stehen am Rand und beobachten das Treiben. Was denken sie sich wohl? Als sie aufgewachsen sind, standen homosexuelle Handlungen noch unter Strafe – und jetzt DAS hier? Eine Schwulenparade bei der Junggesellenabschiede gefeiert werden und Jugendliche Party machen – und drumherum dreihunderttausend homosexuelle Kerle und Frauen. Wie sich die Zeit doch ändert – und was für ein Glück wir haben, gerade jetzt zu leben! Manchmal kann ich mir einfach nicht vorstellen, daß es noch besser werden kann